2023
Zürich

PROJEKTBESCHRIEB

Die Betriebszentrale Herdern dient seit den 60er-Jahren als Hauptsitz und Wahrzeichen der Genossenschaft Migros Zürich und hat das Landschaftsbild bis zum Bau der Swiss Life Arena mit am deutlichsten geprägt. Nach fast 60 Jahren unter Betrieb hat der Turm an der Pfingstweidstrasse 101 bauliche Pflege nötig. Durch seine besonderen kubischen Proportionen steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Diese Vorbedingungen verheissen komplexe Sanierungsmassnahmen, für die in der Planung und Ausführung eine hohe Sorgfalt an den Tag gelegt werden muss.

ANFORDERUNGEN / HERAUSFORDERUNGEN

Das Ingenieurbüro WaltGalmarini AG übernahm unter anderem die Aufgabe, die Tragstrukturen zu untersuchen und anhand der aktuellen Bemessungsvorschriften neu zu bewerten. Die Berechnungen mittels der neuen und teils strengeren SIA-Normen ergaben, dass statische Verstärkungen unumgänglich waren. Die von WaltGalmarini AG ermittelten erforderlichen Massnahmen betrafen hauptsächlich die Gebäudehorizontalstabilität und den Schubwiderstand der Unterzüge. Für die Horizontalstabilität in Gebäudequerrichtung wurden massive Stahlstreben an der Gebäudehülle verankert und Kernwände im Treppenhaus aufgedoppelt.

Für die Unterzüge im Erdgeschoss und die 16 Obergeschosse waren Schubverstärkungen mit Schubdübeln aus Stahl vorgesehen. Bei dieser Standardlösung werden Löcher vertikal durch den Unterzug gebohrt und die Schubdübel am jeweiligen Ende mit einer Ankerplatte verschraubt. Bei den ersten Applikationsversuchen zeigten sich zwei Probleme: Zum einen gab es Schwierigkeiten, entsprechende Löcher durch die stark bewehrten, im Längsschnitt konischen Unterzüge zu bohren und zum anderen kam es am teils spröden Beton der Unterzüge bei den Bohrungen zu Abplatzungen.

SIKA LÖSUNGEN

Kurzfristig musste nun eine alternative Lösung gefunden werden. Zur Ermittlung einer neuen Methode zur Schubverstärkung unterstützten die Spezialisten der Bauherren- und Planerberatung der Sika Schweiz AG das Ingenieurbüro. Die naheliegendste Möglichkeit war der Einsatz von Sika® CarboShear-L Schubwinkeln, also L-förmig gebogene Lamellen aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Diese werden mit Hilfe eines 2-komponentigen Epoxidharzklebers direkt auf die Unterzüge verklebt. Um die Schubkräfte in die Druckzone der Unterzüge zu verankern, werden normalerweise Kernbohrungen in die Deckenplatte unmittelbar neben Unterzügen gebohrt und die CFK-Winkel in die Löcher eingeklebt.

Derartige Kernbohrungen hätten jedoch zu viele Bewehrungseisen in der Deckenplatte durchtrennt, welche für die statische Stabilität des Tragwerks unverzichtbar waren.

Zur Behebung dieser Herausforderung wurden die Ingenieure der Firma re-fer AG hinzugezogen, eine Partnerfirma der Sika AG. Sie ist auf die statische Verstärkung mit memory®-steel spezialisiert und hat viel Erfahrung bei Umbauten und Sanierungen unterschiedlichster Gebäude vorzuweisen. Die zuständigen Fachleute der Sika Schweiz AG konsultierten internationale Kontakte und entwickelten zusammen mit der re-fer AG einen innovativen Lösungsansatz, welcher in der Schweiz so noch nie zum Einsatz kam. Zur Endverankerung der Schubwinkel sollte ein Faserbündel aus CFK verwendet werden, welches bisher in der Schweiz hauptsächlich zur Mauerwerksverstärkung eingesetzt wurde. Dieses Kohlenstoff-Fasergewe beträgt den Namen SikaWrap® FX-50 C, wird der Einfachheit halber auf der Baustelle jedoch liebevoll der “Pferdeschwanz” genannt. International wird dieses Material in verschiedenen Bereichen eingesetzt, sei es zur statischen Verstärkung von Balkonen, Umwicklung von Stützen, oder Ertüchtigung von historischen Bauwerken.

Statt einer Kernbohrung war für das Faserbündel nur noch eine kleine Bohrung in die Deckenplatte notwendig, in welche das SikaWrap® FX-50 C eingeführt und mittels Ankerklebstoff befestigt wurde. Die Stränge des Fasergewebes wurden zusätzlich an den Seitenwänden des Unterzugs aufgeklebt, um die Kräfte auf die CFK-Schubwinkel übertragen zu können. Nachdem diese Methode seitens des Ingenieurbüros statisch überprüft und freigegeben wurde, sollten die Verstärkungsmassnahmen schnellstmöglich umgesetzt werden.

Jeweils 5 Unterzüge pro Geschoss mussten auf einer Länge von etwa 1.5 Metern statisch ertüchtigt werden. Und das auf allen 17 Ebenen. Somit ergab sich eine Menge von fast 1’600 Schubwinkeln, die zu verkleben waren. Die Logistikabteilung sowie die Verantwortlichen des Bereichs der Betoninstandsetzung der Sika Schweiz AG setzten alle Hebel in Bewegung, um das erforderliche Material fristgerecht auf die Baustelle liefern zu können. Die Mitarbeitenden der Baufirma Leuthard Bau AG wurden ausserdem vom Anwendungsinstruktor der Sika AG in der korrekten Handhabung der Materialien unterwiesen.

Es zeigte sich, dass durch die nationale und internationale Vernetzung von Sika Fachkräften mit fundiertem theoretischem sowie praktischem Fachwissen schnell eine innovative Lösung entwickelt werden kann, wo Standardmethoden nicht mehr funktionieren. Von der ersten Kontaktaufnahme durch WaltGalmarini AG bis zur ersten Testapplikation der CFK-Faserbündelverging gerade mal eine Woche. Begleitet und koordiniert wurden die Arbeiten zudem vom Büro Spiegel + Partner AG.

Instandsetzungsmassnahmen und statische Verstärkungen werden meist so installiert, dass sie im Nutzungszustand der Gebäude nicht mehr zu erkennen sind. Die verantwortlichen Architekten haben sich jedoch dafür entschieden, bei diesem Objekt die Schubwinkel in das Erscheinungsbild der Deckenuntersicht zu integrieren und sichtbar zu lassen. Somit bleibt die unkonventionelle Ertüchtigungsmassnahme für die nächsten Generationen erkennbar, bis vielleicht in einigen Jahrzehnten wieder bauliche Massnahmen ergriffen werden. Jedenfalls passen die Sika®CarboShear-L Schubwinkel zusammen mit den Installationen von Elektrotrassen, sowie Sprinkler- und Lüftungsleitungen gut in das neue Erscheinungsbild der Büroräume und Gewerbeflächen.

Nebenbei:
Während der Umbauten mussten die rund 500 Mitarbeitenden in ein Provisorium ziehen, bevor sie Ende 2023 wieder an ihren modernisierten Arbeitsplatz zurückkehren können.